In der landgräflichen Bildergalerie werden die beschlagnahmten Gemälde abgehängt: Benjamin Zix, Enlèvement de la Galerie de Cassel, 1807



Unter Napoleon erhielt der Kunstraub in Europa eine neue Dimension. Statt planloser Plünderungen trafen jetzt Spezialisten eine gezielte Auswahl unter den Kunstgegenständen und bezeichneten deren Abtransport ins Musée Napoléon nach Paris als eine Befreiung der Kunst von der Gewaltherrschaft der Fürsten. Und Napoleons Kunstkommissar Vivant Denon – das belegen die Kasseler Beutestücke – kannte sich gut aus. Anfang Januar 1807 beschlagnahmte er im Museum Fridericianum und in der Gemäldegalerie die hochkarätigsten Kunstwerke.

Der Raub von Museumsgütern in kriegerischen Konflikten ist eine bis heute übliche Praxis. Im Mittelpunkt steht dabei nicht bloß ihr ökonomischer Wert, sondern vor allem ihre symbolische Funktion. Sich den gegnerischen Kulturbesitz einzuverleiben, zielt darauf, das kollektive Gedächtnis des Feindes zu deformieren und das eigene triumphal zu bereichern. Das Musée Napoleon wurde in gewißer Weise zum ersten europäischen Museum – eine Trophäensammlung aus Bruchstücken des kollektiven Gedächtnisses der europäischen Länder.

Allerdings war diesem Museum nur ein kurzes Leben vergönnt. Bereits mit dem Fall Napoleons 1815 holten sich die ehemaligen Verlierer ihre Objekte zurück. Dabei kam es zu zahlreichen Verlusten und Verwirrungen, wem nun eigentlich was gehört hatte. Der Elfenbeinhumpen jedenfalls kam aus Paris über Berlin erst 1817 wieder wohlbehalten in Kassel an. Und fast die Hälfte der 800 geraubten Gemälde ist bis heute verloren.

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Humpen mit Kampf der Kentauren gegen die Lapithen, um 1630, Sammlung Angewandte Kunst, Hessisches Landesmuseum