Verhaltensregeln für Aufseher: „Dienstordnung
für die Gallerie-Diener zweiter Klasse“, o.O. 1868



„Die Kunstwerke bitte nicht berühren“, „Das Essen ist in den Ausstellungsräumen nicht erlaubt“ – die Verhaltensregeln in Museen sind strikt, und die Person, die für ihre Einhaltung zu sorgen hat, ist der Aufseher. Laut Dienstordnung für die Gallerie-Diener erster und zweiter Classe von 1868 hat er „durch strenge Überwachung des besuchenden Publikums zu verhindern, daß Kunstsachen entwendet oder irgendwie beschädigt werden“. Darüber hinaus soll er sich – abgesehen von kurzen Auskünften – vor allem unauffällig verhalten.

Die Tätigkeit des Aufsehers ist so alt wie das Museum. Um dem Publikum seine Kunstschätze so unmittelbar wie möglich zu präsentieren, sie aber zugleich vor neugierigem oder begehrlichem Zugriff zu schützen, braucht das Museum eine Art Polizei, die über die Einhaltung des richtigen Abstands zu den Objekten wacht. Der Aufseher gewährleistet die notwendige Distanz und angemessene räumliche Atmosphäre zur Entfaltung der Aura, die der Philosoph Walter Benjamin einmal als „die einmalige Erfahrung einer Ferne, so nah sie sein mag“, definierte.

Aber was, wenn gerade niemand da ist? Dann ist der Aufseher alleine, und beim Warten auf den nächsten Besucher wird er zu einem wahren Künstler der Langeweile. Die Macht der Aura kann dabei eine ungeheure Intensität annehmen, wie die Anekdote von dem langjährigen Hüter einer griechischen Vase in einem italienischen Museum zeigt: Der Legende nach war es ihm unerträglich, daß die Vase nach seiner Pensionierung von einem anderen Aufseher bewacht wurde. Um dies zu verhindern, zerschlug er sie kurzerhand.

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Rembrandt Harmensz. van Rijn: Jakob segnet Ephraim und Manasse, 1656, Gemäldegalerie Alte Meister, Schloß Wilhelmshöhe